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Pressemeldungen zur Organspende


Kritik an der Öffentlichkeitsarbeit der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zum Thema Organspende

Pressemitteilung von: INFORMATIONSSTELLE TRANSPLANTATION und ORGANSPENDE

Information zur Anhörung der Enquete-Kommission 'Ethik und Recht der modernen Medizin' zum Thema "Organisation der postmortalen Organspende in Deutschland" am 14.03.2005

Hamburg, den 06.03.2005

Kritik an der Öffentlichkeitsarbeit der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zum Thema Organspende.

Dr. Heide Hollmer ist am Herzen transplantiert und allein verantwortlich für die Literaturempfehlungen zum Thema „Hirntod, Organspende und Organtransplantation“ der BZgA. Ihr Leben kann jederzeit wieder von der Spendebereitschaft der Bürger abhängen. Vor diesem Hintergrund wählt sie die Literatur zur Organspende aus, die laut Angaben der BZgA, Bürger dazu befähigen soll, eine „eigene Entscheidung für oder gegen die Organspende“ zu treffen. Die Art, wie Dr. Heide Hollmer mit Literatur bzw. Argumenten „gegen die Organspende“ umgeht, widerspricht dieser Zielsetzung.

Dr. Elisabeth Pott, Direktorin der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), erklärt auf der Internetseite der BZgA im März 2005, dass „gesundheitliche Aufklärung dem Ziel verpflichtet [ist], eigenverantwortliches Gesundheitshandeln zu ermöglichen.“

Bezogen auf die Organspende verfolgt die „Motivationskampagne“ der BZgA das Ziel, „die Bürger umfangreich zum Thema Organspende zu informieren und zu einer Auseinandersetzung zu motivieren. So möchte die BZgA die Menschen dazu anregen, eine eigene Entscheidung für oder gegen die Organspende zu treffen und diese Entscheidung auf dem Organspendeausweis zu dokumentieren.“

Bürger über Gründe „gegen eine Organspende“ zu informieren, ist offenbar nicht das Ziel der BZgA.

Die BZgA veröffentlichte 2001 Literaturempfehlungen zur Organspende in tabellarischer Form, ohne Kommentar. Seit 2002 erstellt Dr. Heide Hollmer für die BZgA eine kommentierte Auswahl von Literaturempfehlungen zum Thema Organspende. Veröffentlichungen, die „Pro Organspende“ eingestellt sind, versieht Dr. Heide Hollmer mit durchweg positiven Attributen. Andererseits werden Veröffentlichungen, die sich kritisch mit dem Thema Organspende befassen, entweder nicht in die Liste aufgenommen, entfernt bzw. negativ kommentiert. Hier ein paar Beispiele:

In diesem Stil geht es weiter. Literatur „Pro Organspende“ enthält „gute fachübergreifende Informationen“, eine „ausgewogene Darstellung aller wichtigen Aspekte“, „sachliche Grundlageninformation“, „detaillierte Beschreibungen“ oder „fundierte wie komplexe Information zu allen Fragen“.

Anders bei Literatur, die auch Kritik an der Organspende enthält. Auch hierzu ein paar Beispiele:

Das Buch Mit dem Herzen eines anderen leben von Elisabeth Wellendorf wurde von Dr. Heide Hollmer aus der Liste entfernt. Literatur, die auch Argumente sogenannter Hirntodkritiker enthält, ist nur in begrenzter Zahl in der Broschüre vertreten oder nicht lieferbar.

Natürlich kann man Literatur aus einer Liste entfernen, wenn Bücher nicht mehr lieferbar oder veraltet sind. Doch auch in der aktuellen Literaturliste gibt es Bücher, die nicht mehr lieferbar oder älter als das Buch von E. Wellendorf sind. Das Buch Ich pflege Tote von H.W. Striebel und J. Link, gehört beispielsweise dazu.

Das Buch Herzloser Tod wurde erst nach einem längeren Briefwechsel zwischen der BZgA, Dr. Heide Hollmer und der Informationsstelle Transplantation und Organspende in die Broschüre aufgenommen. Die negative Bewertung dieses Buches durch Dr. Heide Hollmer ist nicht nachzuvollziehen, da es eine Auszeichnung als »Wissenschaftsbuch des Jahres« durch die Initiative des Wissenschaftsmagazins Bild der Wissenschaft erhielt. Der unabhängigen Jury gehörten Vertreter unter anderem der Max Planck Gesellschaft, des ZDF, des Deutschlandradios sowie andere renommierte Wissenschaftsjournalisten an (Jury: Dr. Markus Bohn, Dr. Reinhard Breuer, Dr. Joachim Bublath, Peter Ehmer, Dr. Rainer Flöhl, Barbara Ritzert, Reto Schneider, Gero von Ranow, Dr. Bernd Wirsing, Dr. Uta Altmann). Diese Informationen werden von Dr. Heide Hollmer unterschlagen. Für dieses Buch wurden insgesamt 22 Interviews in diversen deutschen und österreichischen Kliniken u.a. mit namhaften Transplantationsmedizinern wie Prof. Dr. Angstwurm, Prof. Dr. Margreiter oder auch Transplantationskoordinatoren (Dr. Kücük, Dr. Grosse, Frauke Vogelsang von der MHH) geführt und grosse Interviewpassagen wurden auch abgedruckt. Zu seinem Inhalt wird in der Literaturempfehlung der BZgA hingegen behauptet: "Die Darstellung konzentriert sich auf die Einwände der Hirntod-Kritiker und der Organspende-Gegner". Ausserdem behauptet Dr. Heide Hollmer, dass U. Baureithel und A. Bergmann über die „finanziellen Interressen der Pharmaindustrie“ geschrieben hätten - hierbei handelt es sich um eine regelrechte Lüge, denn die Autorinnen weisen explizit in der Einleitung darauf hin, dass sie diesen Aspekt nicht behandeln.

Im Januar 2002 teilte mir die BZgA mit, dass sie die Aufnahme der Broschüre „Organspende … in Frage gestellt“, die zum damaligen Zeitpunkt vom Verein BioSkop e.V. herausgegeben wurde, nicht zusagen könne, da die Verfasserin „nur einzelne ausgewählte und kommentierte Veröffentlichungen erfasst.“ Die Liste „erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit“, so die BZgA. Einen Kontakt zu Dr. Heide Hollmer wurde von der BZgA nicht ermöglicht.

Um den Kontakt zu Dr. Heide Hollmer herzustellen, stellte ich eigene Recherchen an. Dabei stellte sich heraus, dass Dr. Heide Hollmer 1997 (siehe Foto) für den Bund der Organtransplantierten (BDO) tätig war, 2001 Mitglied der Arbeitskreise "Organvermittlung" und "Warteliste" war, Herausgeberin des Buches Hallo mein Herz und am Herzen transplantiert ist.

Ich machte Dr. Hollmer einige Empfehlungen für die Literaturliste der BZgA. Sie dankte mir im Oktober 2002 für die Empfehlungen und sagte nur die Aufnahme des Buches Herzloser Tod von U. Baureithel und A. Bergmann zu. Die Aufnahme der anderen Empfehlungen wurde abgelehnt.

Unter den abgelehnten Büchern befand sich u.a. das Buch Der geteilte Leib. Dr. Vera Kalitzkus, Mitautorin des Buches, wird von der Enquete-Kommission 'Ethik und Recht der modernen Medizin' als Expertin in Sachen Organspende angesehen und zur Anhörung am 14.03.2005 zum Thema "Organisation der postmortalen Organspende in Deutschland" geladen. Das Buch als eine Veröffentlichung von Expertinnen anzusehen, scheint Dr. Heide Hollmer unmöglich zu sein.

Der Bund der Organtransplantierten (BDO) forderte 1994: „Information und Freiwilligkeit müssen Säulen der Organspende sein“ .

Im Transplantationsgesetz (TPG) ist festgelegt, dass die „nach Landesrecht zuständigen Stellen, die Bundesbehörden im Rahmen ihrer Zuständigkeit, insbesondere die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, sowie die Krankenkassen […] die Bevölkerung über die Möglichkeiten der Organspende, die Voraussetzungen der Organentnahme und die Bedeutung der Organübertragung aufklären. Sie sollen auch […] geeigneten Aufklärungsunterlagen bereithalten.“

Was aber sind „geeignete Aufklärungsunterlagen“?

Hinweise auf eine Antwort finden sich schon in den Gesetzentwürfen zum TPG. Im Gesetzentwurf der Abgeordneten Monika Knoche, Gerald Häfner und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN von 1995 findet sich folgende Forderung:

„Schaffung eines Aufklärungsanspruchs, der die interessenfreie Aufklärung vor Einwilligung in die Organspende durch die öffentliche Hand gewährleistet.“

Zu Recht wurde eine „interessenfreie Aufklärung“ „durch die öffentliche Hand“ gefordert, da eine einseitig interessengeleitete Information durch öffentliche Stellen nicht zu einer Freiwilligen Entscheidung führt!

Folgerichtig gab die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im April 1996 eine Broschüre heraus, in der sie schrieb, dass die „Aufklärung … in jedem Fall durch unabhängige Berater erfolgen (muss)“.

Aber nicht nur die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hatte gute Vorsätze in Bezug auf die Inhalte der Aufklärung über Organspende.

Im Gesetzentwurf der Fraktionen CDU/CSU, SPD und F.D.P. von 1996 wurde eine „sachgerechte Information“ gefordert. Darüber hinaus wurde eine „umfassende, wiederholte und eingehende Aufklärung der Bevölkerung“ als Basis einer „bewußten Entscheidung der Bürger über eine mögliche Organspende“ angestrebt.

Auch im Bundestag gaben sich Politiker aller Parteien den Anschein, nicht einseitig in Bezug auf die Aufklärung zur Organspende zu handeln. Einige Beispiele:

Dr. Wolfgang Wodarg (SPD) war der Ansicht, dass eine Organspende nur dann möglich ist, „wenn dieser Mensch einer solchen Organentnahme zu Lebzeiten in vollem Bewußtsein und nach umfassender Aufklärung schriftlich zugestimmt hat.“

Dr. Edzard Schmidt-Jortzig (F.D.P.) forderte eine „eine umfassende Aufklärung der Bevölkerung über die Spende, Entnahme, Vermittlung und Übertragung von Organen“.

Dr. Barbara Höll (PDS) war sich bewusst darüber, dass eine „wirklich freiwillige und selbstbestimmte Entscheidung … Aufklärung und Beratung voraus(setzt)“.

Und Dr. Rita Süssmuth (CDU/CSU) sah sogar „eine große Pflicht, die Menschen mit einer massiven Informations-, Aufklärungs- und auch Beratungswerbung anzusprechen.“

Horst Seehover, 1997 als Bundesgesundheitsminister: „Trotzdem bin ich ein entschiedener Gegner einer moralischen oder gar gesetzlich verankerten Pflicht zur Organspende. Verordnete Solidarität ist nicht Humanität. Es darf in dieser Frage niemand unter gesellschaftlichen Entscheidungsdruck gestellt werden.“

Nachdem das TPG beschlossen und in Kraft trat, wurden dann auch mit Informationsmaterial für die Organspende geworben. Das Gesundheitsministerium versichert dem Bürger in der Broschüre „Das Transplantationsgesetz“, dass das Selbstbestimmungsrecht der Bürgerinnen und Bürger „unbedingten Vorrang“ hat. Weiter wurde bekräftigt, dass niemand „unter einen gesetzlichen oder gesellschaftlichen Entscheidungsdruck gestellt werden“ darf und es „keine Verpflichtung geben [kann], aber auch keinen moralischen Druck, sich zu Lebzeiten in der Frage einer Organspende zu entscheiden. Deshalb ist auch eine Entscheidung desjenigen, der bewusst auf eine Erklärung zu Lebzeiten verzichtet, zu respektieren. Er mag dafür Gründe haben, deren Kritik uns nicht zusteht.“

Dr. Heide Hollmer, die für die BZgA die „Literaturempfehlungen zum Thema Hirntod, Organspende und Organtransplantation“ zusammenstellt, scheint an dieser Art der Information nicht interessiert zu sein. Zwar behauptet die BZgA auf ihrer Homepage (www.bzga.de), dass die Broschüre „in der angebotenen Vielfalt“ eine „Orientierungshilfe“ darstellt, die Realität sieht jedoch anders aus, weil Dr. Heide Hollmer, nachdem sie die Bearbeitung übernommen hat, die Literaturliste der BZgA im Interesse eines Betroffenenverbandes, dem Bund der Organtransplantierten (BDO), verändert hat. Außerdem kann ein Interessenkonflikt nicht ausgeschlossen werden. Das Leben von Dr. Heide Hollmer könnte jederzeit wieder durch eine Abstoßungsreaktion gefährdet werden. Dann ist ihr Leben nicht nur davon abhängig, dass ein Mensch den „Hirntod“ erleidet, sondern auch von einer zustimmenden Haltung zur Organspende durch einen „Organspender“ bzw. von den Angehörigen.

Wie reflektiert muss ein Mensch sein, in dieser Situation auch Argumente „gegen die Organspende“, immerhin eine Zielsetzung der BZgA, zu fördern? Diese nicht zu tun ist verständlich aus Sicht einer transplantierten Frau. Allerdings sollte die BZgA diejenigen nicht aus den Augen verlieren, die Zweifel und Bedenken an der Organspende haben und ihre eigene Entscheidung für oder gegen eine Organspende treffen sollen. Dazu benötigt man Informationen über alle Facetten, die das Thema Organspende betrifft.

Eine „eigene Entscheidung für oder gegen die Organspende“, wie es die BZgA auf ihrer Homepage als Zielsetzung der Aufklärung über Organspende propagiert, wird auf Basis einseitiger Auswahl an Literatur durch eine Vertreterin des BDO bzw. einer Herztransplantierten, deren Leben jederzeit wieder von der Spendebereitschaft der Bürger abhängen kann, nicht stattfinden können.

INFORMATIONSSTELLE
Transplantation und Organspende
Roberto Rotondo
www.transplantation-Information.de

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update: 17.03.2005    by: Roberto Rotondo