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30. Evangelischer Kirchentag 2005 in Hannover

Veranstaltung »Behütetes Sterben und Organspende - vereinbar oder nicht?« vom 26. Mai 2005


Prof. Dr. Franco Rest, Dortmund

Vortrag: Hospizliche Sterbebegleitung und Transplantationsmedizin

Vortrag im mp3-Format: http://www.initiative-kao.de

Darlegungen im Zusammenhang mit dem Podium "Behütetes Sterben und Organspende - vereinbar oder nicht?"

In meinen Überlegungen klammere ich einige wichtige Punkte von vornherein aus, nämlich die Begleitung von sterbenden Transplantierten (irgendwann sterben auch die Organempfänger). Mir geht es um die Betroffenen auf der spendenden, nicht der empfangenden Seite, also auf der Seite der Explantierten, nicht der Implantierten.1

Eine Bemerkung vorweg: Die hospizliche Begleitung Sterbender sieht die Begleitung hirntoter Organspender nicht vor, da sich diese "Spender" in einem medizintechnisch-therapeutischen und keinem begleitenden, psycho-sozio-spirituellen Kontext befinden; aber aus den Erfahrungen der Hospizlichkeit läßt sich einiges beleuchten, was im Rahmen von Organtransplantationen geschieht. Es betrifft

1. die Auseinandersetzung mit dem im Sterben eingebetteten Tod eines vertrauten Menschen,
2. die Trauerarbeit mit, an und bei dem Explantierten.

Hospizlichkeit bedeutet nun ein Begleitideal für Sterbende und Hinterbliebene. Hospizliche Begleitung ermöglicht sterbenden Menschen ihr Leben ungestört, unverzögert, unbeschleunigt, persönlich, sozial integriert, spirituell angenommen, schmerzkontrolliert, begleitet und lebenssatt zu vollenden, sowie ihrem sozialen Umfeld eine vorauseilende, begleitende und nachgehende Trauer. Dazu einige kurze Erläuterung: In hospizlicher Begleitung verlieren die Menschen nicht ihr Leben, sondern es wird alles daran getan, dass sie es "vollenden", also zuende leben können. Da sogn. Hirntote keine Leichen sind, sondern Menschen, die infolge eines bestimmten Organversagens in absehbarer Zeit zwar tot sein werden, aber in der Jetztzeit noch nicht zuende gestorben sind, benötigen sie eine besondere Begleitung. Im Sterben wird noch intensiv gelebt, ein Leben, das den Explantierten und ihrem sozialen Umfeld zu einem großen Teil entzogen wird. Also würde ein hospizlicher Umgang mit Hirntoten auch und gerade ein lebendiger Umgang bedeuten, wenn er denn stattfinden würde bzw. stattfinden könnte. Es gibt zwar keine Sicherheit, dass ein lebendiges Sterben gelingt, aber wir handeln eben nicht mehr gegen irgendetwas, oder jemanden, also auch nicht gegen den Tod, sondern wir ermöglichen die Vollendung des Lebens in einem durchlebten, also lebendigen Sterben. Da das Interesse der Transplantationsmedizin jedoch auf das Leben des Organempfängers fokussiert ist, gerät die Lebensvollendung im Sterben des organgeschädigten Zu-Explantierenden (und seiner Angehörigen) aus dem Blickfeld.

Für uns sind Menschen mit einem irreversiblen Hirnversagen "sterbenden Menschen". Die medizinische Begrifflichkeit wie "Finalität", "Terminalität", "dissoziierter Hirntod" usw. werden diesem Lebensinhalt nicht gerecht. Deshalb sind uns die genannten Adjektive einer hospizlichen Sterbebegleitung so wichtig geworden.

Unser Anfangssatz lautete: Hospizliche Begleitung ermöglicht sterbenden Menschen ihr Leben ungestört, unverzögert, unbeschleunigt, persönlich, sozial integriert, spirituell angenommen, schmerzkontrolliert, begleitet und lebenssatt zu vollenden. Ich hoffe, dass deutlich wurde, wie wenig die Explantationen dem hospizlichen Sterben entsprechen. Fast könnte gelten, dass wir nur einer Vision von menschlichem Sterben folgen können, der hospizlichen oder der utilitaristischen, also der nützlichen für das Weiterleben anderer kranker Menschen mit Hilfe fremder Organe. Hospizlichkeit und Transplantationsmedizin schließen sich aus.

Aber der Satz ging ja noch weiter: Hospizliche Begleitung ermöglicht sterbenden Menschen ihr Leben ungestört, unverzögert, unbeschleunigt, persönlich, sozial integriert, spirituell angenommen, schmerzkontrolliert, begleitet und lebenssatt zu vollenden und hospizliche Begleitung ermöglicht, dem sozialen Umfeld eine vorauseilende, begleitende und nachgehende Trauer. Hier liegt neben der Verunmöglichung einer hospizlichen Sterbebegleitung das zweite große Problem der Transplantationsmedizin. Die begleitende Trauer, begleitend zum Sterben und Tod des vertrauten Menschen, ist durch die Bedingungen der Intensivstationen in Transpantationszentren weitgehend verhindert: keine wirkliche Offenheit in der Verlustverarbeitung; ein erdrückendes Zeitmanagement durch die Regelabläufe; Unterwerfung unter die Erfordernisse der Transplantation; die Separation zwischen dem Trauerobjekt und den Trauersubjekten; fehlende sinnliche Wahrnehmung des abschließenden Sterbens und des Todes. In der nachgehenden Trauer wird diese Situation zumeist noch durch ein Alleingelassenwerden der Angehörigen besonders seitens des Transplantationspersonals und seitens der Mitmenschen zusätzlich erschwert.

1 Für diese Überlegungen sind die Untersuchungen von Vera Kalitzkus von besonderer Wichtigkeit, welche in ihrer Doktorarbeit 23 Angehörige von hirntoten Organspendern und 19 Organempfänger in narrativen Interviews befragt hat.

© Prof. Dr. Franco Rest, 2005
1. Vors. ALPHA-Westfalen
Träger: Delta - Leben und Sterben in Begleitung e.V.
Link zum "Hospiz-Dialog": www.alpha-nrw.de.

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Literaturempfehlung von Roberto Rotondo:


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update: 01.08.2005    by: Roberto Rotondo