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Stellungnahmen zum Transplantationsgesetz bzw. zu den Entwürfen zum Transplantationsgesetz


Stellungnahme des Deutschen Berufsverbandes für Pflegeberufe (DBfK) e.V.

Zum Entwurf eines zukünftigen Transplantationsgesetzes

vom 24.07.1995

(Gesundheitsausschuss: Ausschussdrucksache 0165, 13. Wahlperiode)

Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe nimmt zu den Fragen des Gesundheitsausschusses des Deutschen Bundestages zur Bewertung des Hirntodes sowie der engen und der erweiterten Zustimmungslösung in einem Transplantationsgesetz wie folgt Stellung:

Die Diskussion um die Organtransplantation kann, wie die Diskussion um ethische Fragen überhaupt, nur unter Berücksichtigung der Bedingungen des realen Lebens geführt werden. Dazu gehören u.a.

– die Möglichkeiten eines weltweiten Organhandels

– die Prioritätensetzung in der medizinischen Versorgung angesichts begrenzter wirtschaftlicher Ressourcen

– die hohen Erwartungen und das gleichzeitig tiefe Misstrauen der Bevölkerung gegenüber der naturwissenschaftlich-technischen Medizin

– und auch die Schwierigkeit, insbesondere in der westlichen Wohlstandskultur, die Endlichkeit des Lebens zu akzeptieren.

Krankenschwestern/-pfleger, Kinderkrankenschwestern/-pfleger und AltenpflegerInnen sind aufgrund ihres Berufes sehr intensiv in die Diskussionen um Leben, Sterben und Tod involviert. Für sie sind die ethischen Grundregeln der Krankenpflege des Weltbundes für Krankenschwestern/Krankenpfleger (ICN), Grundlage ihres beruflichen Handelns. Im Rahmen der historischen Entwicklung waren sich Krankenschwestern und Ärzte lange Zeit weitestgehend darüber einig, dass der Tod ein komplexes Ereignis für den Menschen ist, das durch den Ausfall mehrerer Organsysteme gekennzeichnet ist und seinen Ausdruck in der einsetzenden Leichenstarre und den sichtbaren Todesflecken findet.

Die Möglichkeiten, einen Körper technisch funktionieren zu lassen, haben im Verlauf der Entwicklung der Intensiv- und Transplantationsmedizin zu einer veränderten Situation bei der Entnahme von Organen geführt.

Die vom Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages vorgelegten Fragen im Hinblick auf ein zukünftiges Transplantationsgesetz machen die große Fülle der nach wie vor nicht geklärten naturwissenschaftlichen und ethischen Fragen erneut deutlich. Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe hat mit den Experten der Ethikkommission des Verbandes zu diesen Themen beraten.

Davon ausgehend vertritt der DBfK folgende Auffassung:

– Die Todesdefinition nach den Kriterien des Hirntodes ist derzeit noch nicht ausreichend erforscht. Sie sollte nicht in einem entsprechenden Gesetz festgeschrieben werden. Vielmehr sollen Forschungsaufträge vergeben werden, die in einem vorher zu definierenden Zeitraum weitere Erkenntnisse zum Thema Leben, Sterben und Tod bringen werden.

– Auf der Grundlage des Grundgesetzes ist die Würde des Menschen unantastbar. Daher kann eine Entscheidung über eine Organspende nur von ihm selbst und nicht von seinen Angehörigen nach Eintritt des Todes getroffen werden.

– Der DBfK erwartet und unterstützt eine breit angelegte und umfassende Aufklärung der Bevölkerung zu Zielen und Inhalten sowie Art und Weise von Organtransplantationen. Erst wenn ein Mensch nach ausreichender Information auch über den Inhalt der Definition „Hirntod“ bereit ist, diesen als für sich verbindliche Todesdefinition zu akzeptieren, kann diese in begrenztem Umfang auf die Person des Organspenders (bei schriftlicher Einwilligung derselben) bezogen werden.

– Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe erwartet vom Gesetzgeber, dass die Würde des Menschen und der Umgang mit den Sterbenden bei der Entnahme von Organen ethischen Grundsätzen entspricht. Der Schutz des Sterbenden vor Missbrauch, beispielsweise durch wirtschaftliche Interessen oder Interessen der Transplantationsmedizin, ist vom Gesetzgeber zu gewährleisten.

– Die Aufklärungsaktivitäten sollen sich nicht nur mit der Spende von Organen nach dem Tod beschäftigen, sondern sie müssen sich verstärkt auch auf die Akzeptanz des Lebensendes richten.

Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe e.V. fordert den Gesetzgeber auf, die spezielle Diskussion zur Todesdefinition zunächst auszusetzen und durch gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse weiter qualitativ aufzubereiten. Darüber hinaus sind die Ressourcen für Forschungskapazitäten zu erweitern, die sich beispielsweise mit der künstlichen Gewebe- und Organherstellung beschäftigen.

Begründung im einzelnen

Im Grundgesetz heißt es, die Würde des Menschen ist unantastbar. Das bedeutet, dass der lebende Mensch nicht zum bloßen Mittel eines Zweckes missbraucht werden darf. Dass heißt, dass die körperliche Unversehrtheit eines Menschen nur beeinträchtigt werden darf, wenn eine Aussicht auf Hilfe besteht und wenn der Betroffene dieser Verletzung seiner körperlichen Integrität zugestimmt hat. Dem DBfK ist bewusst, welchen grundlegenden, immensen Eingriff es bedeutet, einen Menschen für tot zu erklären.

Die durch die Harvard-Kommission 1968 beschlossene Einführung des „Hirntod-Kriteriums“ trug dazu bei, ein Kunstwort zu schaffen. Das Kunstwort Hirntod hat als solches nichts mit dem Tod des Menschen zu tun. Hirntod bezeichnet zunächst nichts weiter, als den Tod eines Teils des Zentralnervensystems. Die Harvard Kommission hat sich zum damaligen Zeitpunkt nicht mit der ethischen Fragestellung des Hirntodes auseinander gesetzt. Die von ihr vorgebrachten Begründungen zur Einführung des „Hirntod-Kriteriums“ waren rein pragmatischer Art. Diese lauteten:

„Es gibt zwei Gründe, warum es einen Bedarf für eine neue Todesdefinition gibt:

1. Die Last ist groß für die betroffenen Patienten, die den permanenten Verlust ihres Intellekts erleiden, für ihre Familien, für die Krankenhäuser und solche Patienten, die eines der Intensivbetten bedürften, das durch komatösen Patienten belegt ist.

2. Veralterte Kriterien für die Definition des Todes können zu Kontroversen bei der Beschaffung von Spenderorganen führen.“

Diese pragmatischen Aussagen rechtfertigen nach unserem Dafürhalten die gesetzliche Festschreibung der Hirntod-Definition derzeit in einer deutschen Gesetzgebung nicht. Vielmehr erscheint es dem Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe unabdingbar, die Forschung zu den Themen Tod und Leben in den nächsten Jahren noch weiter zu intensivieren. Der noch junge Zweig der Pflegewissenschaft wird zu dieser Forschungsproblematik einen wichtigen Beitrag leisten können.

Die klassische Todesdefinition sollte für die nächsten Jahre beibehalten werden. Sie bietet derzeit ausreichenden Schutz vor dem Missbrauch des toten menschlichen Körpers bei der Entnahme von Organen.

Finanzielle und materielle Ressourcen sollten, wie bereits oben erwähnt, für den Zeitraum der nächsten fünf Jahre in entsprechende Forschungsprojekte fließen. Erst im Anschluss an die Veröffentlichung neuer fundierter Erkenntnisse über das Sterben und den Tod sollte eine Diskussion zum Thema Tod im Rahmen einer Gesetzgebung wieder aufgenommen werden.

Ein weiteres Problem sieht der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe in einer möglichen erweiterten Zustimmungslösung, wie sie in den Fragen des Gesundheitsausschusses formuliert wurde. Unter nochmaligem Hinweis auf das Grundgesetz, ist es unseres Erachtens völlig indiskutabel, darüber nachzudenken, inwieweit Angehörige ein Entscheidungsrecht über die Organentnahme des Verstorbenen erhalten. Die Entscheidung, ob es nach Eintritt des Todes zu einer Organentnahme kommen kann, trifft ausschließlich der Verstorbene zu Lebzeiten persönlich.

Es ist eine bekannte Tatsache, dass es derzeit sehr viel mehr potentielle Organempfänger als -spender gibt. Wir führen aber dies nicht nur auf eine zu geringe Bereitschaft von Menschen zurück, Organe zu spenden, sondern vielmehr auf ungenügende Aufklärung der Bevölkerung über diese Themen. Unterschiedlichste Gespräche mit Angehörigen unserer Berufsgruppen ergaben, dass Patienten und Angehörige nur ein sehr geringes Wissen über Sinn und Zweck sowie die Art und Weise von Organentnahmen hatten.

Somit erwartet der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe vom Bundestag entsprechende Aktivitäten, die eine umfassende Aufklärung zum Thema Organspende beinhalten. Gern ist der Verband bereit, sich an entsprechenden Kampagnen zu beteiligen. Davon ausgehend, empfiehlt der DBfK im Rahmen einer umfassenden Aufklärung auch ausführlich das Thema „Hirntod“ zu diskutieren. Nur wenn Menschen bewusst und nach umfangreicher Information bereit sind, diese Phase des Sterbens bereits als Tod zu akzeptieren, wären Organentnahmen durchführbar.

Ein ebenfalls in diesem Zusammenhang stehendes Problem ist der Umgang mit dem Sterbenden zum Zweck der Organentnahme. Zunehmend äußern Pflegefachkräfte, dass die Organentnahme in einer nicht menschenwürdigen Art und Weise geschieht. Die Würde des Menschen und die Achtung vor dem Tod tritt gegenüber den Interessen der Transplantationmedizin und auch wirtschaftlichen Interessen zurück. Auch hier fordert der DBfK einerseits eine breite Aufklärung zu diesem Thema, andererseits eine umgehende Veränderung dieses Zustandes.

Die Vorbereitung auf den Tod und die Begleitung des Sterbenden gehören zu den Berufsaufgaben der Pflegenden. Krankenschwestern/-pfleger, Kinderkrankenschwestern/-pfleger und AltenpflegerInnen sind die Berufsgruppen, die die meiste Zeit mit dem sterbenden Menschen verbringen. Sie sind es vorrangig, die tröstend und unterstützend die Angehörigen begleiten. Daher betrachtet es der DBfK als eine originäre berufliche Aufgabe, aufklärend und beratend zum Thema der Vergänglichkeit des Lebens mitzuwirken.


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update: 10.01.2004    by: Roberto Rotondo